Wissenswertes zum Agenturmodell
Der Nebel lichtet sich nur langsam
6. Juni 2023 agvs-upsa.ch – Viele Hersteller beschäftigt derzeit vor allem ein Thema: Einführung eines Agentursystems und damit der direkte Zugang zu den Endkunden. Was die genauen Auswirkungen für die Garagisten sind, ist in vielen Bereichen noch unklar. Der AGVS bietet eine Orientierungshilfe.
Erst langsam wird es Tag in Sachen Agenturmodelle, vieles ist derzeit noch offen. Foto: iStock.
srh. Eines ist heute schon klar: Viele Marken werden früher oder später den Händlern ein Agentursystem auferlegen. «Es wird kommen, aber die Hersteller wissen noch nicht, wie sie das machen wollen und sehen es selbst durch die rosarote Brille», sagt ein Branchenkenner, der in der Schweiz in einem Grossbetrieb mit mehreren verschiedenen Marken in der Unternehmensleitung arbeitet. Entsprechend sind die Schweizer Händlerverbände intensiv damit beschäftigt, sich möglichst aktiv in diese Verhandlungen einbringen zu können oder zumindest in Zusammenarbeit mit den europäischen Händlerverbänden so viele Informationen wie möglich zu erhalten. «Es liegt in der Natur der Sache, dass wir Menschen uns durch Neues und Unbekanntes verunsichern lassen», sagt Markus Hesse, Präsident der Markenkommission im AGVS. «Deshalb ist es auch verständlich, dass viele betroffene Markenhändler nun beunruhigt sind.»
«Die Verhandlungen auf europäischer Ebene sind abgeschlossen», erklärte Roger Küng, Präsident des Peugeot-Händlerverbands, an einer Veranstaltung der AGVS-Sektion Bern. «Die Dokumente werden nun übersetzt und dann in den einzelnen Ländern geprüft.» Es sei wichtig, dass die Markenhändlerverbände gegenüber den Herstellern und Importeuren Stärke markierten. «Wir haben uns beispielsweise mit dem Hersteller darauf geeinigt, dass es keine Kündigungswelle der laufenden Händlerverträge gibt, solange nicht klar ist, wie es genau weitergehen wird», so Küng. Und vor allem: «Wir Garagisten sind Weltmeister darin, die Faust im Sack zu machen und es doch irgendwie zu schaffen. Aber wir sollten uns für unsere Bedürfnisse wehren und gegebenenfalls auch juristische Unterstützung zuziehen.»
Markus Aegerter, AGVS-Geschäftsleitung (links) und Markus Hesse, AGVS-Zentralvorstand.
Das AGVS-Rechtsgutachten hat einen Teil des Nebels rund um die Agenturmodelle gelichtet. Markus Aegerter, AGVS-Geschäftsleitung Branchenvertretung, hatte dieses in Zusammenarbeit mit namhaften Juristen aus dem In- und Ausland erstellen lassen und im April publiziert. Erstmals präsentiert wurde es Ende Februar der Markenkommission. «Die Reaktionen waren sehr positiv», berichtet Markus Hesse. «Das Rechtsgutachten bietet den Markenhändlerverbänden eine fundierte Wissensgrundlage, die es ermöglicht, die vorgelegten Verträge zu beurteilen, einzuschätzen und zu verhandeln.»
Vor allem kartellrechtlich ist der juristische Kontext klar. Als sogenannt echte Agentur gilt nur, wer keine finanziellen Risiken zu tragen hat. Und nur in diesem Fall greift das Kartellrecht nicht. In den meisten Fällen – so lassen es die derzeit bekannten Rahmenbedingungen vermuten – dürfte es sich um Modelle mit unechten Agenten handeln. «Die Hersteller werden vermutlich nur die Ausstellungsfahrzeuge finanzieren, mehr aber nicht», mutmasst ein weiterer Branchenkenner. Das heisst, die Garagen tragen einen nicht unerheblichen Teil des unternehmerischen Risikos weiterhin selbst. Juristisch ist dies relevant, weil in diesem Modell das Kartellrecht greift. Schreibt der Hersteller die Endkundenpreise vor, damit diese im Markt gleich sind, liegt eine Preisbindung zweiter Hand und damit eine Verletzung des Kartellrechts vor. Diese wird dem Hersteller und dem unechten Agenten angelastet.
Fragezeichen um Occasionshandel
Unklarheiten gibt es derzeit noch viele. Es ist durchgesickert, dass die Hersteller auch das Geschäft mit den jungen Occasionen an sich ziehen möchten. Hier hält das AGVS-Rechtsgutachten klar fest: «Ein Verbot des Occasionsgeschäfts durch den Hersteller gegenüber dem unechten Agenten dürfte kartellrechtlich unzulässig sein.» Gleiches gilt im Prinzip auch für die Wahl der Leasinggesellschaft. Vor allem das Occasionsgeschäft dürfte künftig unechten Agenten einen gewissen Handlungsspielraum geben. «Es ist ein Mittel, um den Neuwagenpreis zu einem gewissen Grad selbst zu bestimmen, wenn ein Händler den Preis für das Eintauschfahrzeug selbst festlegen kann», ist ein Garagist überzeugt.
Während im Nutzfahrzeugbereich das Agentursystem auch in der Schweiz schon weit verbreitet ist, gibt es im PW-Bereich erst vereinzelt Erfahrungswerte. Der Verkauf und Vertrieb von Smart funktioniert nach diesem Prinzip. Auch die beiden E-Auto-Produzenten Tesla und Polestar sowie Genesis wenden ein Agenturmodell an. Die chinesischen Marken, die derzeit auf den europäischen Markt vordringen, dürften ihre Fahrzeuge ebenfalls auf diese Weise vertreiben wollen. Nio baut gerade sein Vertriebssystem auf. Die europäischen Hersteller dürften die Entwicklungen und Probleme, die sich ergeben, mit Argusaugen beobachten, um selbst Lehren daraus zu ziehen. Die Realitäten im Autohandel dürften der Theorie der Agenturmodell jedoch entgegenlaufen. Trotz Omni-Channel und Online-Priorisierung erfolgen die meisten Autoverkäufe noch immer analog im Autohaus. «Bei Peugeot werden knapp fünf Prozent aller Fahrzeuge online verkauft», verrät Roger Küng. «Wir brauchen den herkömmlichen Vertrieb weiterhin.»
Sich nicht unter Druck setzen lassen
Roger Küng verrät die Umsetzungspläne bei Stellantis: «Per 1. Januar 2027 sollen die Verträge in der EU umgesetzt sein, aber die Schweiz ist dabei noch kein Thema.» Andere Hersteller dürften im gleichen Zeitrahmen folgen. Allerdings waren die teilweise sehr ambitionierten Zeitpläne einiger Hersteller zuletzt klar entschleunigt worden. Ein wichtiger Rat von juristischer Seite an die Händler dazu: «Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Studieren Sie die Verträge, ob diese für Sie passen, und verhandeln Sie!», so rät es auch AGVS-Rechtskonsulent Tobias Treyer, der sich intensiv mit der Fragestellung – auch auf europäischer Ebene – beschäftigt. «Rechnen Sie genau durch, was sich für Ihren Betrieb lohnt und was nicht.»
Für potenziell betroffene Händler ist die Orientierungshilfe (Kapitel 6) im AGVS-Rechtsgutachten ein hilfreicher Leitfaden. «Es ist sicher wichtig, offen zu sein, denn gerade die echte Agentur bietet interessante Aspekte», sagt Markus Aegerter. Die Markenkommission des AGVS beschäftige sich seit längerem intensiv mit dem Thema und sei gut dokumentiert. «Die Verhandlungen werden entscheidend werden für den künftigen wirtschaftlichen Erfolg», so Aegerter weiter. Damit die Position der Garagisten in den Verhandlungen gestärkt werde, sei die Umsetzung der Motion Pfister zentral. Diese verlangt die Umwandlung der heutigen KFZ-Bekanntmachung in eine rechtlich bindende Verordnung. National- und Ständerat habe diese Motion überwiesen, bezüglich Rückmeldung meldet Nationalrat und Mitte-Präsident Gerhard Pfister: «Bis jetzt ist noch keine spezifische Rückmeldung eingegangen.»
Erst langsam wird es Tag in Sachen Agenturmodelle, vieles ist derzeit noch offen. Foto: iStock.
srh. Eines ist heute schon klar: Viele Marken werden früher oder später den Händlern ein Agentursystem auferlegen. «Es wird kommen, aber die Hersteller wissen noch nicht, wie sie das machen wollen und sehen es selbst durch die rosarote Brille», sagt ein Branchenkenner, der in der Schweiz in einem Grossbetrieb mit mehreren verschiedenen Marken in der Unternehmensleitung arbeitet. Entsprechend sind die Schweizer Händlerverbände intensiv damit beschäftigt, sich möglichst aktiv in diese Verhandlungen einbringen zu können oder zumindest in Zusammenarbeit mit den europäischen Händlerverbänden so viele Informationen wie möglich zu erhalten. «Es liegt in der Natur der Sache, dass wir Menschen uns durch Neues und Unbekanntes verunsichern lassen», sagt Markus Hesse, Präsident der Markenkommission im AGVS. «Deshalb ist es auch verständlich, dass viele betroffene Markenhändler nun beunruhigt sind.»
«Die Verhandlungen auf europäischer Ebene sind abgeschlossen», erklärte Roger Küng, Präsident des Peugeot-Händlerverbands, an einer Veranstaltung der AGVS-Sektion Bern. «Die Dokumente werden nun übersetzt und dann in den einzelnen Ländern geprüft.» Es sei wichtig, dass die Markenhändlerverbände gegenüber den Herstellern und Importeuren Stärke markierten. «Wir haben uns beispielsweise mit dem Hersteller darauf geeinigt, dass es keine Kündigungswelle der laufenden Händlerverträge gibt, solange nicht klar ist, wie es genau weitergehen wird», so Küng. Und vor allem: «Wir Garagisten sind Weltmeister darin, die Faust im Sack zu machen und es doch irgendwie zu schaffen. Aber wir sollten uns für unsere Bedürfnisse wehren und gegebenenfalls auch juristische Unterstützung zuziehen.»
Markus Aegerter, AGVS-Geschäftsleitung (links) und Markus Hesse, AGVS-Zentralvorstand.
Positive Reaktionen auf Gutachten
Das AGVS-Rechtsgutachten hat einen Teil des Nebels rund um die Agenturmodelle gelichtet. Markus Aegerter, AGVS-Geschäftsleitung Branchenvertretung, hatte dieses in Zusammenarbeit mit namhaften Juristen aus dem In- und Ausland erstellen lassen und im April publiziert. Erstmals präsentiert wurde es Ende Februar der Markenkommission. «Die Reaktionen waren sehr positiv», berichtet Markus Hesse. «Das Rechtsgutachten bietet den Markenhändlerverbänden eine fundierte Wissensgrundlage, die es ermöglicht, die vorgelegten Verträge zu beurteilen, einzuschätzen und zu verhandeln.»Vor allem kartellrechtlich ist der juristische Kontext klar. Als sogenannt echte Agentur gilt nur, wer keine finanziellen Risiken zu tragen hat. Und nur in diesem Fall greift das Kartellrecht nicht. In den meisten Fällen – so lassen es die derzeit bekannten Rahmenbedingungen vermuten – dürfte es sich um Modelle mit unechten Agenten handeln. «Die Hersteller werden vermutlich nur die Ausstellungsfahrzeuge finanzieren, mehr aber nicht», mutmasst ein weiterer Branchenkenner. Das heisst, die Garagen tragen einen nicht unerheblichen Teil des unternehmerischen Risikos weiterhin selbst. Juristisch ist dies relevant, weil in diesem Modell das Kartellrecht greift. Schreibt der Hersteller die Endkundenpreise vor, damit diese im Markt gleich sind, liegt eine Preisbindung zweiter Hand und damit eine Verletzung des Kartellrechts vor. Diese wird dem Hersteller und dem unechten Agenten angelastet.
Fragezeichen um Occasionshandel
Unklarheiten gibt es derzeit noch viele. Es ist durchgesickert, dass die Hersteller auch das Geschäft mit den jungen Occasionen an sich ziehen möchten. Hier hält das AGVS-Rechtsgutachten klar fest: «Ein Verbot des Occasionsgeschäfts durch den Hersteller gegenüber dem unechten Agenten dürfte kartellrechtlich unzulässig sein.» Gleiches gilt im Prinzip auch für die Wahl der Leasinggesellschaft. Vor allem das Occasionsgeschäft dürfte künftig unechten Agenten einen gewissen Handlungsspielraum geben. «Es ist ein Mittel, um den Neuwagenpreis zu einem gewissen Grad selbst zu bestimmen, wenn ein Händler den Preis für das Eintauschfahrzeug selbst festlegen kann», ist ein Garagist überzeugt.
Während im Nutzfahrzeugbereich das Agentursystem auch in der Schweiz schon weit verbreitet ist, gibt es im PW-Bereich erst vereinzelt Erfahrungswerte. Der Verkauf und Vertrieb von Smart funktioniert nach diesem Prinzip. Auch die beiden E-Auto-Produzenten Tesla und Polestar sowie Genesis wenden ein Agenturmodell an. Die chinesischen Marken, die derzeit auf den europäischen Markt vordringen, dürften ihre Fahrzeuge ebenfalls auf diese Weise vertreiben wollen. Nio baut gerade sein Vertriebssystem auf. Die europäischen Hersteller dürften die Entwicklungen und Probleme, die sich ergeben, mit Argusaugen beobachten, um selbst Lehren daraus zu ziehen. Die Realitäten im Autohandel dürften der Theorie der Agenturmodell jedoch entgegenlaufen. Trotz Omni-Channel und Online-Priorisierung erfolgen die meisten Autoverkäufe noch immer analog im Autohaus. «Bei Peugeot werden knapp fünf Prozent aller Fahrzeuge online verkauft», verrät Roger Küng. «Wir brauchen den herkömmlichen Vertrieb weiterhin.»
Sich nicht unter Druck setzen lassen
Roger Küng verrät die Umsetzungspläne bei Stellantis: «Per 1. Januar 2027 sollen die Verträge in der EU umgesetzt sein, aber die Schweiz ist dabei noch kein Thema.» Andere Hersteller dürften im gleichen Zeitrahmen folgen. Allerdings waren die teilweise sehr ambitionierten Zeitpläne einiger Hersteller zuletzt klar entschleunigt worden. Ein wichtiger Rat von juristischer Seite an die Händler dazu: «Lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Studieren Sie die Verträge, ob diese für Sie passen, und verhandeln Sie!», so rät es auch AGVS-Rechtskonsulent Tobias Treyer, der sich intensiv mit der Fragestellung – auch auf europäischer Ebene – beschäftigt. «Rechnen Sie genau durch, was sich für Ihren Betrieb lohnt und was nicht.»
Für potenziell betroffene Händler ist die Orientierungshilfe (Kapitel 6) im AGVS-Rechtsgutachten ein hilfreicher Leitfaden. «Es ist sicher wichtig, offen zu sein, denn gerade die echte Agentur bietet interessante Aspekte», sagt Markus Aegerter. Die Markenkommission des AGVS beschäftige sich seit längerem intensiv mit dem Thema und sei gut dokumentiert. «Die Verhandlungen werden entscheidend werden für den künftigen wirtschaftlichen Erfolg», so Aegerter weiter. Damit die Position der Garagisten in den Verhandlungen gestärkt werde, sei die Umsetzung der Motion Pfister zentral. Diese verlangt die Umwandlung der heutigen KFZ-Bekanntmachung in eine rechtlich bindende Verordnung. National- und Ständerat habe diese Motion überwiesen, bezüglich Rückmeldung meldet Nationalrat und Mitte-Präsident Gerhard Pfister: «Bis jetzt ist noch keine spezifische Rückmeldung eingegangen.»
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